11. März 2021 |Wien | Isabella Haag

Freiwilligenarbeit an Universitäten Teil 2:

Die Universität Wien

An der Universität Wien ist Freiwilligenarbeit anders als auf der WU. Das liegt unter anderem daran, dass die Universität Wien so groß und vielfältig ist. Die Fakultäten sind quer über Wien verteilt und die jeweiligen Büros genauso. Das heißt gleichzeitig, dass es nicht DAS eine Freiwilligenprogramm für alle Studierenden gibt – und das ist auch gut so. Was es für Möglichkeiten gibt und warum ein allgemeines Freiwilligenprogramm kontraproduktiv wäre, erfahrt ihr hier durch Gespräche mit der Leiterin des Kinderbüros Karoline Iber und die Koordinatorin vom UniClub Daniela Marzoch, der Teil des Kinderbüros ist. Aber was ist das Kinderbüro und was macht das überhaupt?

Das Kinderbüro der Universität Wien ist eine gemeinnützige GmbH, die zwar verbunden mit der Universität Wien ist, aber eine eigene Sparte darstellt. Vermittlungsprojekte stehen im Vordergrund, die eine Brücke zwischen Kindern, Jugendlichen, Familien und Demokratie, Wissenschaft und pädagogischen Einrichtungen bilden. Zudem gibt es Betreuungseinrichtungen für Kinder, deren Eltern, auf diese Weise Beruf und Kinder unter einen Hut bringen können. Die Leiterin des Kinderbüros Karoline Iber erzählt:

„Das Kinderbüro gibt es seit 2003 mit dem Start der Kinderuni Wien, und da ist von Anfang an mit Freiwilligen gearbeitet worden. Überall, wo wir im Kinderbüro mit Freiwilligen arbeiten, schauen wir, wo wir an der Uni Wien andocken können.“

© Kinderbüro der Universität Wien / Eyup Kus

Der UniClub gehört zum Kinderbüro und ist in erste Linie dafür da, angehenden Pädagog*innen eine außerschulische Praxiserfahrung und Jugendlichen aus sozial benachteiligten Schichten Lernunterstützung anzubieten. Das Kinderbüro und der UniClub sind nicht so zentral an der Universität Wien angesiedelt, wie das bei der WU der Fall ist. Besonders fällt dies bei den jeweiligen Webseiten auf, denn den UniClub findet man nicht zentral über die Webseite der Universität Wien. Doch ist das schlecht?

„Nein, denn über den UniClub kann ich sagen, dass der Fokus schon stark auf den Lehramtsstudierenden liegt und da läuft die Bewerbung auch über die Lehramtsstudien. Das muss auch nicht viel größer werden, weil wir diese konkrete Zielgruppe erreichen möchten und die erreichen wir auch ganz gut“, so Daniela Marzoch.

Die Universität Wien tickt einfach anders:

Das merkt man recht schnell an den Strukturen. An der Universität Wien gibt es für jede Studienrichtung eigene Programme. Im Gegensatz dazu steht Volunteering@WU für die ganze Universität zur Verfügung. Das liegt unter anderem an der Größe und der Diversität, denn, an der Universität Wien kannst du von Biologie bis Philosophie alles studieren, wohingegen die WU einen klaren Fokus auf Wirtschaft hat. Die Bedürfnisse sind an der Universität Wien so unterschiedlich, weswegen es nicht nur die eine Website gibt, auf der alle Möglichkeiten der Freiwilligenarbeit stehen.

„Man muss da die Dimensionen der Universität Wien sehen. Die Uni Wien hat allein 15 000 Lehramtsstudierende und die ganze WU hat 21 000 Studierende. Daran merkt man die Vielfältigkeit und die unterschiedlichen Initiativen, die für diese Ausmaße notwendig sind.“

An dieser Stelle kommen „Service Learning“ und die „3rd Mission“ und „Service Learning“ ins Spiel:

3rd Mission und Service Learning

©Kinderbüro der Universität Wien / Eyup Kus

Die 3rd Mission oder dritte Mission ist eine EU weite Mission, bei der neben Forschen und Lehre auf Hochschule und Universitäten eine Verflechtung mit der Zivilgesellschaft stattfinden soll. Dabei hat jede Universität und sogar jede Studienrichtung ihre Art, diese Mission umzusetzen. Ziel ist es, Wissens-, Technologie- und gesellschaftlichen Transfer zu schaffen. Also universitäres Wissen auf allen Ebenen zu nutzen, um einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Je nach Projekt ist ein Teil Praxiserfahrung dabei oder auch nicht.

Ein Beispiel für ein Projekt im Rahmen der 3rd Mission ist das Projekt „pädagogische-praktische Aktivitäten im Bereich Flucht und Schule“, das zwischen 2016 und 2018 lief. Bei diesem Projekt war auch der UniClub eingebunden mit – Amnesty International, dem Integrationshaus und anderen Institutionen. Gleichzeitig haben Lehramtsstudierende Praxiserfahrung mit Jugendlichen mit Fluchterfahrung sammeln können. Im Rahmen dieser Veranstaltung haben Student*innen auch ECTS bekommen. Diese Programme verbinden also gesellschaftliches Engagement, fachliche Kompetenzen mit Kooperationen mit Leuten aus der Praxis. Es ist ein Transfer von Theorie in die Praxis und verbindet vielfache Kompetenzen miteinander.

„Service Learning“-Projekte, die im Rahmen der „3rd Mission“ ablaufen, sind nach einem oder mehreren Semestern wieder vorbei. Sowohl der UniClub, als auch WU Volunteering hatten im Rahmen solcher Lehrveranstaltungen ihre Anfänge, und über die Jahre hinweg bildeten beide fixe Konstanten des Engagements auf Universitäten, auch wenn sie unterschiedlich aufgebaut sind. Dementsprechend wäre es eher kontraproduktiv, einheitliche Freiwilligenprogramme für alle Universitäten zu schnüren.

Karoline Iber: „Wenn man sich jetzt den naturwissenschaftlichen Bereich mit Umweltschutz anschaut, sieht man, dass es dort ganz andere Erfahrungen mit Freiwilligenarbeit gibt, die aber nach ganz eigenen Mechanismen ticken. Global 2000 hat eine ganz eigene Logik im Gegensatz zur Freiwilligenarbeit der Jurist*innen bei Amnesty beispielsweise. Das sind alles andere Mechanismen, aber auch Möglichkeiten. An der Stelle gebe ich zu bedenken, dass man sein Gegenüber genau kennen muss. Ein Modell eng zu schnüren, ist kontraproduktiv.“

Gemeinsame Ziele:

© Kinderbüro der Universität Wien / Eyup Kus

Freiwilligenprogramme – ob ausgelagert (Universität Wien) oder im Herzen institutionalisiert (WU) –müssen gut begleitet werden.  „Die Studierenden sind oft geringfügig älter als die Jugendlichen und wenn diese Jugendlichen beginnen zu erzählen – häufig auch von Fluchterfahrungen – dann muss man schon einmal schlucken, denn die haben einfach viel erlitten und erlebt. Unsere Jugendlichen haben auch nichts davon, wenn sie flapsig begleitet werden oder von jemandem begleitet werden, der das nicht ernst nimmt“, erzählt Karoline Iber. Da steckt also eine Menge Verantwortung dahinter, denn man kann auch Studierenden nicht so eine Chance zur Verfügung stellen und sie alleine lassen. Das bedeutet: Damit ein Freiwilligenprogramm an Universitäten funktionieren kann, muss es an die universitären Strukturen angepasst sein und Student*innen, Jugendliche und die Institution dahinter müssen an einem Strang ziehen. Wenn das gelingt, dann entsteht ein riesiger Mehrwert.

An dieser Stelle stellt sich die Frage, wie und ob das auch die TU auf ihre Weise umsetzt, denn eine organisatorische Entsprechung wie das Kinderbüro oder Volunteering@WU hat die Technische Universität Wien nicht. Das gleiche gilt für die BOKU – oder etwa nicht? Mehr dazu im dritten Teil der Blogserie.

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